Holacracy ist ein Arbeitsmodell, das festgefahrene Hierarchien aufbricht und Transparenz und Partizipation in Unternehmen fördern will. Wie Holokratie genau funktioniert, erfährst du hier.
Strikte Hierarchien, Entscheidungen „von oben“ und unausgesprochene Spannungen: Sollte ein solch traditionelles Arbeitsmodell mit Mitarbeiter:innen, die nur ausführen und nicht selbst mitbestimmen können, heutzutage nicht ausgedient haben? Dieser Meinung sind zumindest die Vertreter:innen der Holacracy. Das neue Arbeitsmodell soll zu einem besseren Arbeitsklima beitragen, Abläufe effizienter gestalten und die Nachhaltigkeit von Unternehmen fördern.
Was ist Holacracy?
Das Modell der Holacracy, zu Deutsch „Holokratie“, entwarf der Unternehmer Brian Robertson aus Philadelphia (USA) und setzte es in seiner eigenen Firma um. Ziel des Modells ist es, die strikten Grenzen zwischen hierarchischen Ebenen aufzubrechen, Autorität zu verteilen und gemeinschaftliche Entscheidungen zu treffen.
Die wichtigsten Merkmale von Holacracy sind:
- Flexible Rollen ohne Führungskräfte: Statt Hierarchien gibt es bei Holacracy Rollen, die Mitarbeiter:innen untereinander aufteilen. Eine Person kann dabei eine oder mehrere Rollen übernehmen. Für jede Rolle sind genaue Ziele und Verantwortlichkeiten definiert. Die Autorität und Entscheidungsmacht verteilt sich dadurch auf viele verschiedene Mitarbeiter:innen. Das soll Eigenverantwortung und Motivation fördern.
- Anpassung an Veränderungen: Auch die Rollen sind nicht statisch, sondern können sich verschieben, erweitern, verschwinden oder an andere Personen übertragen werden.
- Besprechen und Aushandeln: Wer welche Rolle hat, ob sich Rollen verändern sollten, sowie generell Regeln der Zusammenarbeit und spezielle Entscheidungen des Arbeitsprozesses besprechen Mitarbeiter:innen regelmäßig in Meetings. Holacracy gibt dabei genau vor, wie Mitarbeiter:innen die Meetings aufbauen sollten, um möglichst effizient zu arbeiten. So gibt es verschiedene Arten von Meetings, die sich je nach Intention und Zusammensetzung der Anwesenden unterscheiden. Die Besprechungen sollen auch dazu dienen, Spannungen frühstmöglich zu erkennen und abzubauen.
- Transparente Entscheidungen: Entscheidungen sollen bei Holokratie nicht „von oben“ getroffen werden, sondern möglichst von dem Team, das am besten informiert und auch für die Umsetzung verantwortlich ist. Für alle anderen Mitarbeiter:innen muss stets ersichtlich sein, wer eine bestimmte Entscheidung getroffen hat beziehungsweise welche Rollen über welche Entscheidungsrechte verfügen.
- Konsent statt Konsens: Bei Holacracy geht es nicht darum, dass sich immer alle einig sein müssen. Stattdessen basieren Entscheidungsfindungen auf dem Konsent-Modell. Das bedeutet: Die Rolle, die befugt ist, eine Entscheidung zu treffen, teilt den anderen Mitgliedern ihres Teams ihre Entscheidung mit. Die Rolle kann dabei von einer oder von mehreren Personen besetzt sein. Die Entscheidung kann das Team nur dann ablehnen, wenn es einen schwerwiegenden Einwand dagegen vorbringen kann. Von einem schwerwiegenden Einwand ist die Rede, wenn dessen Missachtung dem Unternehmen Schaden zufügen könnte.
Funktioniert Holokratie?
Holacracy im eigenen Unternehmen umzusetzen, kann gerade zu Beginn schwierig sein. Schließlich benötigt die Umstellung vom klassischen Arbeitsmodell zur Holokratie Zeit und Gewöhnung. Zudem muss die Entscheidung für Holacracy zunächst tatsächlich „von oben“ kommen. Führungskräfte müssen bereit sein, Verantwortung und Entscheidungsgewalt abzugeben und ihr Unternehmen grundsätzlich umzugestalten.
Besonders das Einüben der neuen Regeln und Abläufe kann Mitarbeiter:innen Schwierigkeiten bereiten. So erscheint es, als würde das neue Konzept anfangs die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens eher verschlechtern. Probleme entstehen auch, wenn Unternehmen das Konzept nicht konsequent umsetzen und deshalb wieder informelle Hierarchien entstehen. Auch Regeln zur Abstimmung des Gehalts müssen alle Mitarbeiter:innen genau besprechen und gemeinsam festlegen.
Sorgt das Unternehmen jedoch dafür, dass alle Mitarbeiter:innen umfassend zu Prinzipien der Holokratie geschult und aufgeklärt werden und ausreichend Zeit für die Umstellung haben, kann das neue Arbeitsmodell einige Vorteile bereithalten.
Holacracy: Das sind die Vorteile
Zu den Vorteilen von Holacracy gehören vor allem:
- Mehr Transparenz: Auch wenn sich nicht immer alle einig sind, trägt Holacracy dazu bei, dass Entscheidungsfindungen transparenter ablaufen. So fällt es Mitarbeiter:innen leichter, endgültige Entscheidungen nachvollziehen zu können – auch wenn sie eine andere Meinung vertreten.
- Mehr Effizienz: Statt scheinbar willkürliche Entscheidungen von der Chefetage umsetzen zu müssen, können Teams in ihrer Domäne selbst bestimmen, wie sie Arbeitsprozesse gestalten möchten. Das erhöht nicht nur die Motivation, sondern macht die Arbeit effizienter: Entscheiden soll diejenige Rolle, die am besten informiert ist und sich am längsten mit einem Thema beschäftigt hat.
- Mehr Anpassungsfähigkeit: Da Mitarbeiter:innen autonomer sind, können sie schneller auf Spannungen oder Stagnation reagieren und kleine Stellschrauben anpassen. So kann Holacracy Bürokratie abbauen und Firmen befähigen, schneller auf Probleme zu reagieren.
- Talente besser nutzen: Da Rollen veränderbar sind und eine Person auch mehrere Rollen übernehmen kann, können Unternehmen die Talente und Kapazitäten ihrer Mitarbeiter:innen besser ausschöpfen. Auch das steigert Effizienz und Motivation.
- Ein gemeinsames Ziel: Alle Rollen arbeiten gemeinsam daran, das gemeinschaftlich definierte Ziel ihres Unternehmens zu erreichen. Setzen diesen Grundsatz alle Personen um, verbessert Holokratie die Solidarität und das alltägliche Arbeitsklima. Zudem sehen Mitarbeiter:innen auf diese Weise eher einen Sinn in ihrem Handeln, als wenn sie nur Anordnungen ihrer vorgesetzten Person ausführen müssen.
Wer nutzt das neue Arbeitsmodell?
Holacracy nutzen weltweit bereits einige Firmen und vor allem Non-Profit-Organisationen (wie Extinction Rebellion). In Deutschland ist das Konzept noch weniger bekannt. Jedoch gibt es auch hier bereits Unternehmen und Organisationen, die holokratisch aufgebaut sind.
Vor allem für Unternehmen mit einer geringen Mitarbeiter:innen-Anzahl ist Holacracy gerade zu Beginn einfacher zu implementieren. So wird es zum Beispiel von der deutschen Firma Soulbottles mit etwa 80 Mitarbeiter:innen genutzt. Aber auch etwas größere Unternehmen wie zum Beispiel die Web-Agentur Liip mit 182 Mitarbeiter:innen, die Mercedes-Benz.io GmbH mit 220 Mitarbeiter:innen oder das Müsli-Unternehmen mymuesli mit etwa 800 Mitarbeiter:innen sind holokratisch aufgebaut.
Auf internationaler Ebene konnte sich Holokratie bereits bei dem US-amerikanischen Online-Shop Zappos etablieren. Dieser beschäftigt etwa 1.500 Mitarbeiter:innen.
Holacracy für mehr Nachhaltigkeit?
Holacracy können Unternehmen auch nutzen, um nachhaltiger zu werden. Dafür müssen sie vorher gemeinschaftlich ein ökologisches und/oder soziales Ziel festlegen. Dieses kann verschiedene Aspekte beinhalten, zum Beispiel weniger CO2-Emissionen zu regenerieren, sozialen und fairen Handel zu fördern oder Schadstoffe zu vermeiden.
An diesen übergeordneten ökologischen und sozialen Zielen orientieren sich nun alle Rollen und Teams innerhalb des Unternehmens. Da diese autonomer arbeiten können, gelingen Umstellungen in Richtung Nachhaltigkeit eventuell effizienter. So können Teams zum Beispiel die Umstellung auf Öko-Strom beschließen, Solar-Panels installieren oder besprechen, inwieweit sie Teile ihres Gewinns an gemeinnützige Organisationen abgeben möchten. Im Gegensatz zu traditionell ausgerichteten Unternehmen steht dabei nicht Wachstum und Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern möglichst klimafreundliches Wirtschaften.