In der Positiven Psychologie lautet die Frage nicht „Was ist falsch mit dir?“ sondern „Was ist richtig mit dir?“. Das hat auch für unsere Gesellschaft eine Bedeutung.
Die Psychologie – ähnlich wie die Medizin – konzentriert sich in unserer Gesellschaft vor allem auf Krankheiten, auf das, was vom Normalzustand abweicht. Als Abgrenzung dazu prägte vor allem der Psychologe Martin Seligman in den 1990ern den Begriff der Positiven Psychologie und wurde zum Pionier des neuen Denkansatzes, so ein Beitrag von Daniela Blickhan in der Zeitschrift Praxis Kommunikation.
Was ist Positive Psychologie?
Anders als bei einer herkömmlichen psychologischen Disziplin geht es in der Positiven Psychologie nicht darum, Krankheitsbilder zu definieren. Es geht um Fragen wie:
- Was ermöglicht es einem Menschen, sein volles Potenzial zu entfalten?
- Welche Rolle spielen die eigenen Stärken, gute soziale Beziehungen und ein Lebenssinn für ein glückliches Leben?
- Was macht ein Leben lebenswert?
Statt also zu fragen „Was stimmt mit dir nicht und wie können wir die Schäden minimieren?“ fragt die Positive Psychologie „Was stimmt mir dir, was läuft bei dir richtig? Welche Stärken und Umstände sind es, die dein Leben erfüllter machen? Wie kann dein Wohlbefinden dadurch verbessert werden?“.
Dabei sieht sich die Positive Psychologie nicht als Konkurrenz zu herkömmlichen psychologischen Forschungsfeldern, sondern als Ergänzung.
Martin Seligman und seine Forschung zur Positiven Psychologie
Mittels Fragebögen und der Suche in der Geschichte verschiedener Kulturen fanden Martin Seligman und sein Kollege Christopher Peterson heraus, dass Menschen mit besonderen Charakterstärken und Tugenden besonders zufrieden und optimistisch waren. Insgesamt erarbeiteten sie eine Liste von sechs Tugenden: Weisheit und Wissen, Mut, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Besonnenheit und Transzendenz. In einem Bild stellt die Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie (DGPP) alle 24 von Seligman und Peterson identifizierten Charakterstärken dar, die sich jeweils einer der Tugenden zuordnen lassen.
Laut der Nonprofit-Organisation Pursuit of Happiness hat Martin Seligman außerdem drei Dimensionen ausgemacht, die ein glückliches Leben ergeben:
- Das angenehme, erfreuliche Leben (im Englischen: pleasant) erleben wir, wenn wir unsere Umwelt, unsere Bedürfnisse und die Menschen um uns herum zu schätzen lernen.
- Wir bewegen uns weiter zu einem guten Leben (original: good life), wenn wir unsere Stärken und Tugenden erkennen und sie nutzen, um unser Leben zu bereichern.
- Und schließlich können wir zu einem sinnerfüllten, bedeutungsvollen Leben (englisch: meaningful) gelangen, wenn wir diese Stärken und Tugenden für einen größeren Zweck als nur unserem eigenen Nutzen einsetzen.
Außerdem hat Martin Seligman eine Theorie über das Wohlbefinden mit fünf Faktoren aufgestellt: Fünf Faktoren sind dabei für ein gutes Leben relevant, so die AOK. Die „Glücksformel“ lässt sich abkürzen mit PERMA:
- Positive Emotions: regelmäßiges Erleben von Glücksmomenten und das aktive darauf Hinarbeiten
- Engagement: Die eigenen Stärken beruflich und privat nutzen. Dazu zählt insbesondere der Flow-Effekt, wie er weiter unten erklärt ist.
- Relationship: gute, vertrauensvolle und belastbare Beziehungen
- Meaning: den eigenen Lebenssinn erkennen und umsetzen
- Accomplishment: Erfolgserlebnisse und eigene Ziele erreichen zu können
Kernthemen in der Positiven Psychologie
Heute behandelt die Positive Psychologie noch eine Reihe weiterer Themen:
- Ein Flow-Gefühl erleben wir immer dann, wenn wir vollkommen in einer Tätigkeit versinken und dabei uns selbst und die Zeit völlig vergessen. Dafür müssen sich die Anforderungen, die an uns gestellt werden und unsere persönliche Kompetenz im Gleichgewicht befinden. Ist die Anforderung höher als du deine Kompetenz einschätzt, löst das Angst aus. Unterfordert dich eine Aufgabe, dann ist Langeweile das Ergebnis davon.
- Achtsamkeit ist ebenfalls eines der Kernthemen der Positiven Psychologie – das bewusste Leben im Hier und Jetzt macht uns ebenfalls glücklicher und kann von Sorgen und Ängsten befreien.
- Glücks- beziehungsweise Optimismustraining konzentriert sich darauf, wie wir mittels Übung gezielt optimistischer und glücklicher werden können.
- Positive Beziehungen sind ein Kernaspekt der Positiven Psychologie und haben sich für ein glückliches Leben als der bedeutendste Aspekt herausgestellt. Wer ein gutes soziales Netzwerk, ein Gefühl der Zugehörigkeit und gesunde Beziehungen pflegt, hat eine gute Chance auf dauerhaftes Glück.
- Körperliche Aktivität hat ebenfalls einen starken Einfluss auf unser Wohlbefinden. Beim Sport machen kannst du körperlichen und psychischen Ausgleich finden.
- Naturerleben und der Aufenthalt in der Natur ist ebenfalls eine Quelle für Wohlbefinden und Glück. Mithilfe von Waldbaden kannst du zum Beispiel Stress abbauen und zur Ruhe kommen.
- Positive Psychologie bleibt aber nicht bei der Frage, wie sich das Wohlbefinden des Einzelnen steigern lässt. Die Fragen der Positiven Psychologie dehnen sich auch auf höherer Ebene aus aus und fragen danach, was gesunde, leistungsfähige und funktionierende Gesellschaften, Unternehmen oder Organisationen ausmacht.
Gerade in den letzten Jahren geht die Positive Psychologie laut DGPP noch einige Schritte weiter. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht nur das Wissen um die eigenen Stärken ein erfülltes Leben ausmacht. Es muss auch einen Sinn haben. Auf der gesellschaftlichen Ebene geht Professor Frey noch einen Schritt weiter: Seiner Forschung zufolge sind Menschen, die in stabilen Demokratien leben, zufriedener. Außerdem: Je mehr direkte Beteiligung den Bürger*innen möglich ist, desto höher ist die Zufriedenheit.
Professor Mihaly Csikszentmihalyi ist ebenfalls ein Pionier der Positiven Psychologie. Er fordert, dass die Positive Psychologie Aussagen über das gute Leben für den einzelnen, für Organisationen und für Gesellschaften trifft, wie wir unsere Zukunft so gestalten, dass das gute Leben für alle möglich ist. Mit dieser Vision soll die Positive Psychologie eine Richtung aufzeigen, in die sich die Menschheit bewegen kann. Die Positive Psychologie soll seiner Meinung nach Politiker*innen und Geschäftsleuten als Ratgeberin zur Seite stehen, damit diese die bessere Zukunft der Menschen im Blick behalten und bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Viele weitere spannende Ansätze und Forschungsergebnisse findest du auf der Website der DGPP.
Kleine Übungen um glücklicher zu werden
Mit ein paar einfachen Übungen kannst du ein bisschen Glück in dein Leben bringen:
- Drei Dinge: Schreibe dir jeden Abend drei Dinge auf, die heute positiv und schön waren – und was du selbst dazu beigetragen hast.
- Dankbarkeitsbesuch: Du könntest einen persönlichen Brief schreiben – zum Beispiel an einen Menschen, der dein Leben durch etwas positiv beeinflusst hat. Drücke diesem Menschen deine Dankbarkeit in dem Brief aus. Dann triff dich mit dem Menschen ohne ihm oder ihr vorher von dem Brief zu erzählen und lies ihm oder ihr den Brief vor.
- Lächeln: Wenn du positive Signale aussendest, dann reagieren die Menschen in deinem Umfeld ebenfalls positiver. Dadurch steigerst du das Glücksempfinden bei allen Beteiligten.
- Helfen und Geben: Unterstütze deine Mitmenschen oder mache ihnen eine kleine Freude. Du wirst sehen: Es macht nicht nur sie, sondern auch dich glücklicher.
Vielleicht ist dir aufgefallen: Reichtum und viel Konsum finden in der Positiven Psychologie praktisch keine Erwähnung. Soziale Beziehungen und ein Lebenssinn sind für ein erfülltes, gutes Leben scheinbar viel wichtiger als viel Geld und Besitz.