Der „No-Bra“-Trend, also das Weglassen eines BHs, findet immer mehr Anklang. Was es damit auf sich hat, wie gesund es ist und wie du dich dem Trend annähern kannst, erfährst du hier.
Immer mehr weiblich gelesene Personen* entscheiden sich dazu, beim sogenannten „No-Bra“-Trend mitzumachen – also keinen BH mehr zu tragen. Wie der Trend entstanden ist und welche gesundheitlichen Folgen es haben kann, wenn man auf den BH verzichtet, erfährst du hier.
*Disclaimer: In diesem Text findest du den Begriff „weiblich gelesene Person“ anstelle von „Frau“. Damit wollen wir darauf hinweisen, dass auch solche Personen eine anatomisch weibliche Brust haben können, die sich selbst allerdings nicht als „Frau“ identifizieren.
Der Ursprung des „No-Bra“-Trends
Der BH blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Im Laufe der Zeit wandelte sich der Büstenhalter dabei von einer Revolution zu einem Symbol der Unterdrückung. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Erfindung des BHs ein Befreiungsschlag für weiblich gelesene Personen: Der Büstenhalter ermöglichte ihnen viel mehr Bewegungsfreiheit als das bis dahin übliche Korsett oder Mieder.
Etwa 50 Jahre später änderte sich die Einstellung zum BH jedoch. Die Frauenbewegung in den 1970er-Jahren setzte sich dafür ein, dass weiblich gelesene Personen selbst entscheiden können, wie sie leben und was sie tragen möchten. Der BH als Kleidungsstück, von dem erwartet wurde, dass alle weiblich gelesenen Personen es tragen, wurde damit zu einem Symbol der Unterdrückung und Bevormundung durch das Patriarchat. Die Dessous-Industrie ließ sich davon aber nicht beirren. Sie entwickelte den Push-Up-BH und formte damit das Schönheitsideal von perfekt runden, aufrechten Brüsten, das bis heute anhält. Weil Brüste weiblich gelesener Personen zudem seit jeder stark sexualisiert werden, dienten BHs auch immer wieder dazu, sie in eine gesellschaftlich akzeptierte Form zu bringen. Deswegen sollen BHs auch dazu dienen, die Brustwarzen optisch verschwinden zu lassen.
Die Covid-19-Pandemie bot Gelegenheit, die Angewohnheit des täglichen BH-Tragens zu hinterfragen. Im Home-Office ließen viele weiblich gelesene Personen den BH weg. Auf das neu gewonnene Freiheits- und Komfortgefühl möchten sie nun auch außerhalb der eigenen vier Wände nicht mehr verzichten.
Der „No-Bra“-Trend ist also ein Ausdruck davon, dass weiblich gelesenen Personen ihr persönliches Körpergefühl wichtiger geworden ist als die Schönheitsnormen der Gesellschaft. Sie wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, wie sie ihren Körper in der Öffentlichkeit zu zeigen haben. Damit einher soll die Entsexualisierung anatomisch weiblicher Brüste gehen: Weibliche Brustwarzen und verschiedene Brustformen sollen genauso selbstverständlich in der Öffentlichkeit akzeptiert sein wie männliche Brustwarzen.
Der gesundheitliche Aspekt des „No-Bra“-Trends
Einige Menschen empfinden den „No-Bra“-Trend als bequem und befreiend. Viele berichten davon, dass sie erst ohne BH richtig atmen und eine aufrechtere Haltung einnehmen können. Für andere ist hingegen das Weglassen des Büstenhalters körperlich unangenehm. Das hängt mit der individuellen Beschaffenheit einer jeden Brust zusammen.
Grundsätzlich gesundheitlich schädlich ist das Nichttragen eines BHs jedoch nicht, wie die brustonkologische Ärztin und Chirurgin Cassann Blake erklärt:
- Keinen BH zu tragen, erhöht nicht das Brustkrebsrisiko.
- Weder sorgt das Tragen eines BHs dafür, dass deine Brüste straffer werden, noch führt das Nichttragen eines BHs dazu, dass die Brüste eine hängendere Form bekommen. Die Form der Brust hängt vom Fettgewebe, dem Alter, den Genen, Gewichtsschwankungen und Schwangerschaften ab.
- Für Personen mit größerer Körbchengröße kann es besser sein, nicht auf einen BH zu verzichten. Die Ärztin erklärt, dass das Tragen eines BHs dazu beitragen kann, Rückenschmerzen zu lindern oder zu verhindern, die oft auf das Gewicht der Brüste zurückzuführen sind.
- Trägst du eine falsche Körbchengröße, ist es hingegen empfehlenswert, den BH wegzulassen oder durch einen mit passender Größe zu ersetzen. Grund ist, dass sowohl ein zu großer als auch ein zu kleiner BH negative Auswirkungen haben kann. Ist der BH zu eng, kann dies Schmerzen verursachen; ist er zu groß, reibt er womöglich stark, wodurch es zu Hautirritationen kommen kann.
Höre also am besten auf dein eigenes Körpergefühl: Wenn du findest, dass deine Brust keine zusätzliche Unterstützung braucht, spricht nichts dagegen, beim „No-Bra“-Trend mitzumachen. Wenn dein Brustgewebe dagegen sehr weich ist, kann das Weglassen des BHs einen unangenehmen Zug auf das Fasziensystem der Brust entstehen lassen. In solchen Fällen rät auch die Gynäkologin Micha Bitschnau gegenüber zett dazu, nicht auf die Unterstützung zu verzichten.
Einige Expert:innen empfehlen, auf die Unterstützung durch den BH jedenfalls beim Sport grundsätzlich nicht zu verzichten. Joanna Wakefield-Scurr, Leiterin der Forschungsgruppe für Brustgesundheit an der Universität Portsmouth, erklärt, dass es ohne Sport-BH gegebenenfalls zu Schmerzen und gedehnter Haut der Brust kommen kann, wodurch diese eine hängendere Form bekommt.
Tipps für das Weglassen des BHs
Wenn du nun überlegst, den „No-Bra“-Trend auch einmal auszuprobieren, erleichtern dir diese Tipps den Übergang in die BH-Freiheit:
- Fange langsam an: Du möchtest gerne aufhören, einen BH zu tragen, aber fühlst dich noch etwas unwohl damit. Taste dich daher schrittweise heran: Lasse den BH zuerst nur für einige Stunden zu Hause oder ein paar Tage in der Woche weg.
- Brustwarzen bedecken: Ohne BH fühlen sich viele weiblich gelesene Personen aufgrund der sichtbaren Brustwarzen nackt und ungewollten Blicken ausgesetzt. Wenn du deinen BH gerne weglassen, aber nicht gleich alles allen zeigen möchtest, sind Nippel-Cover vielleicht eine Option für dich. Diese stehen berechtigterweise oft in der Kritik, wenn sie mit ihrem Marketing Bodyshaming betreiben und die Sexualisierung weiblich gelesener Körper unterstützen. Doch sie bieten dir auch die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie du deine Brüste zeigen möchtest. Mehr dazu kannst du hier nachlesen: Höhle der Löwen: Produkt in der Kritik
- BH-Alternativen: Du möchtest keinen BH mehr tragen, aber trotzdem etwas Halt haben? Dann stellen Bralettes eine gute Alternative dar. Sie bieten leichte Unterstützung, kommen aber ohne Unterbrustbügel, Schalen und damit weniger pushend und formgebend daher.
- Kleidung: Auch mit der Wahl deiner Kleidung kannst du selbst bestimmen, ob du deine Brüste zeigen möchtest oder nicht. Unter dunkler Kleidung oder Mustern zeichnen sich Brüste beispielsweise nicht so offensichtlich ab.
- Bodysuit und Unterhemden: Sowohl Bodysuits als auch Unterhemden können dir etwas Form und Halt bieten, wenn du den BH weglässt.
Am Ende ist es am wichtigsten, dass du die dafür entscheidest, womit du dich am wohlsten fühlst. Probiere einfach aus, ob und wie weit der „No-Bra“-Trend für dich funktioniert.